Tacitus

Tacitus
I
Tacitus,
 
Publius (?) Cornelius, römischer Geschichtsschreiber, * um 55 n. Chr., ✝ nach 115; seine Heimat ist unbekannt; 88 Prätor, 97 Konsul, um 112/113 Prokonsul der Provinz Asia; Freund Plinius' des Jüngeren und wie dieser ein gefeierter Redner.
 
Als Schriftsteller trat Tacitus erst nach der Gewaltherrschaft Domitians hervor. 98 veröffentlichte er eine Biographie seines Schwiegervaters (»De vita et moribus Iulii Agricolae«) und die Schrift über Germanien (»De origine et situ Germanorum«, kurz »Germania«), die einzige aus der römischen Literatur bekannte länderkundliche Monographie und das wichtigste Zeugnis über Altgermanien (mit zum Teil gegenüber dem angeblichen Sittenverfall Roms idealisiertem Germanenbild). Im »Dialogus de oratoribus« (anonym überliefert) behandelte Tacitus den Verfall der Rhetorik in der Kaiserzeit als einer Zeit monarchischer Unterdrückung. Später wandte sich Tacitus der Kaisergeschichtsschreibung zu. In den »Historiae« (wohl 14 Bücher, 105-110, fortgesetzt von Ammianus Marcellinus; deutsch »Historien«) beschrieb er die Zeit der Flavier; erhalten ist nur die Darstellung der Jahre 69/70. Von seinem Alterswerk, den »Annales« (eigentlich »Ab excessu divi Augusti«; wohl 16 Bücher, verfasst unter Trajan und vermutlich auch Hadrian; deutsch »Annalen«), die die Zeit vom Tod des Augustus bis zu dem Neros (14-68) behandeln, sind die Bücher I-IV (Tiberius, 14-37) und XII-XV (Claudius und Nero, 47-66) ganz, die Bücher V, VI, XI und XVI nur unvollständig erhalten.
 
Das Werk des Tacitus, bedeutendstes Zeugnis und Schlusspunkt der senatorischen Geschichtsschreibung, will den politischen und moralischen Verfallsprozess unter der Monarchie aufzeigen. Tacitus knüpft dabei in Sprache, Stil und Komposition, auch in der tief pessimistischen Grundhaltung, an Sallust an. Trotz seines Wahlspruchs sine ira et studio gelangt er zu einseitig-negativen Urteilen. Mit seinen Charakterisierungen und in der starken Berücksichtigung der Geschichte Roms und der Kaiser, hinter der die des Reichs und der Provinzen zurücksteht, hat er durch die Jahrhunderte auf die Geschichtsschreibung gewirkt.
 
Ausgaben: Libri qui supersunt, herausgegeben von H. Heubner, 5 Teile (1978-83).
 
Sämtliche erhaltene Werke, bearbeitet von A. Schäfer (1985); Annalen, herausgegeben von E. Heller (Neuausgabe 21992; lateinisch und deutsch).
 
 
D. R. Dudley: T. u. die Welt der Römer (a. d. Engl., 1969);
 D. Flach: T. in der Tradition der antiken Geschichtsschreibung (1973);
 
T., hg. v. V. Pöschl (21986);
 
Beitrr. zum Verständnis der Germania des T., hg. v. H. Jankuhn u. a., 2 Bde. (1989-92);
 R. Syme: T., 2 Bde. (Neuausg. Oxford 1997).
 
II
Tacitus
 
Der römische Schriftsteller und Geschichtsschreiber Publius Cornelius Tacitus (geboren um 55, gestorben um 120) veröffentlichte etwa im Jahre 98 die Schrift »De origine et situ Germanorum« (»Über den Ursprung und die Gebiete der Germanen«). Im ersten Teil schildert er allgemein Land und Leute, im zweiten Teil charakterisiert er einzelne Stämme und beschreibt ihren Wohnsitz. Seine Kenntnisse bezog Tacitus jedoch nicht aus eigener Anschauung, sondern hauptsächlich aus literarischen Quellen. Da aus der Antike keine andere selbstständige volkskundliche Schrift überliefert ist, lassen sich die Gründe für die Entstehung der »Germania« nur vermuten. Vielleicht reizte den Autor einfach der Stoff, der ihm die Gelegenheit bot, der Dekadenz der römischen Sitten ein positives Gegenbild entgegenzusetzen. So rühmt er an den Germanen ihre einfache Lebensweise, ihr sittenstrenges Familienleben, ihre geradlinige, von Arglist und Treulosigkeit weit entfernte Wesensart, ihre kriegerische Tapferkeit und ihr Freiheitsstreben. Dieses Germanenbild ist sicher idealisiert, doch Tacitus tadelt auch die Schwächen der Germanen, z. B. ihre Trägheit in Friedenszeiten, ihre Neigung zu unmäßigem Biergenuss, ihre ruinöse Leidenschaft für das Würfelspiel. Dennoch ist er davon überzeugt, dass bei den Germanen gute Sitten mehr vermögen als anderswo (das heißt bei den Römern) gute Gesetze.
 

Universal-Lexikon. 2012.

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